Die Stiftungen im medialen Sommerloch
Meistens braucht es einen Skandal – einen vermeintlichen oder einen echten – bis sich unsere Medien auch einmal den Stiftungen zuwenden. Aber in diesem Sommer war es anders: Die Stiftungen erlangten ungewöhnlich grosse Medienaufmerksamkeit – fast ohne Skandalisierung. Ein Zufall? Oder vielmehr ein Tribut an die Sauregurkenzeit?
Medienberichte zur interessanten Steuerstudie von SwissFoundations und PWC entliessen uns in die Sommerpause. Im Feriengepäck hatten wir das Stiftungsdossier «Reformstau» in der Doppelnummer Juli/August des «Schweizer Monat» – mitkonzipiert und mitfinanziert von SwissFoundations. Unterwegs lauschten wird dem Tagesgast von Radio SRF2 Nathalie Unternährer von der Christoph Merian Stiftung. Und im Liegestuhl dann lasen wir das ganzseitige Porträt über die Ernst Göhner Stiftung in der Neuen Zürcher Zeitung. Den stiftungsmedialen Basso continuo freilich bildete die siebenteilige Radioserie der samstäglichen Wirtschaftssendung «Trend» welche am 17. August ihren Abschluss fand.
Die «Trend»-Sommerserie zu den Stiftungen
In den sieben etwa 25-minütigen Sendungen, die von nicht weniger als 11 Redaktorinnen und Redaktoren gestaltet wurden, kamen gesamthaft 23 Protagonistinnen und Protagonisten zu Wort: Professoren, Stiftungsaufsichtsvertreterinnen, Verbandsexponenten, Stiftungsexperten, Gesuchsteller etc. (Allererster Interviewgast der ganzen Serie war übrigens Peter Buss von StiftungSchweiz, die diesen Blog verbreitet). Sie äusserten sich zum fast ganzen Spektrum der Themen, welche unsere Stiftungen berühren. Zuerst zum nicht immer einfachen Verhältnis zwischen Förderstiftungen und Gesuchstellern. Oder zu den Bezügen zwischen Stiftungen und Staat und somit zu Steuerfragen. Dann wurde der interessanten Frage nachgegangen, inwiefern die moderne Blockchain- Technologie in der Schweizer Stiftung ihre passende Rechtsform gefunden hat. Mit der Unternehmensstiftung und der Kirchlichen Stiftung wurden zwei wichtige, aber weniger bekannte Stiftungstypen schwerpunktmässig porträtiert.
In den kumuliert fast drei Sendestunden kam somit eine Vielzahl relevanter Themen zur Sprache. Über die Sendeform von abwechslungsreich gestalteten Features dürfte es gelungen sein, einem breiteren Publikum den Facettenreichtum unseres Stiftungswesens näher zu bringen. Freilich betrachte ich die Sendereihe nicht in allen Punkten als ganz gelungen. So befürchte ich, dass die grundsätzlichen Unterschiede bezüglich der Besteuerung von Stiftungen in ihren diversen Ausformungen nicht glasklar rübergekommen sind. Der Stimmbürger und Steuerzahler muss wissen, dass strenge Anforderungen an die Steuerbefreiung der Gemeinnützigen Stiftungen bestehen – Bedingungen, welche Unternehmensstiftungen und Familienstiftungen nicht erfüllen können. Aber wenn sogar ein Mitglied des Moderatorenteams nicht trennscharf unterscheiden kann, ist hier kaum Klarheit zu erreichen. So gesehen ist auch bedauerlich, dass dem Typus der Familienstiftung kein grösserer Raum gewährt wurde. Wie es auch schade ist, dass in der Sendung über die Unternehmensstiftungen zwei ganz untypische Beispiele abgehandelt wurden – so wunderbare Fälle die Edith Maryon Stiftung und die Victorinox-Stiftung auch darzustellen vermögen.
Positiv hervorzuheben ist, dass sich die Sendungen grosser Objektivität bemühten. Dazu gehört selbstverständlich auch kritisches Hinterfragen. Wobei es dann passierte, dass bei der Frage nach der Transparenz bei den Kirchlichen Stiftungen der Vertreter des Bistums Chur den Befrager ins Leere laufen liess, nämlich mit dem Argument, dass die Privatstiftungen ja auch intransparent seien. Es ist ein Manko der ganzen Sendereihe, dass diese nicht laut und deutlich das hängige politische Postulat thematisiert hat: dass der Gesetzgeber für alle Stiftungen mittels offizieller Listen und Statistiken für eine grössere und breitere Transparenz im gesamten Stiftungswesen sorgen sollte.
Und wer den Skandal hier nicht findet, der sucht ihn halt im Ausland
Einen Schwachpunkt der Trend-Sendereihe zu den Stiftungen bildete die letzte Sendung, die sich dem Stiftungsplatz Liechtenstein widmete. Das Fürstentum hat eine dermassen andere Stiftungstradition als die Schweiz, dass man mit deren Einbezug nur Verwischungen und Missverständnisse provozieren konnte – insbesondere indem man sich süffig des Liechtensteiner Stiftungsplatzes in der Vergangenheit widmete und beinahe ausser Acht liess, dass ein neues Liechtensteinisches Stiftungsrecht vor exakt zehn Jahren begann, den Stiftungsplatz komplett – und zum Guten – umzukrempeln. Die Redaktoren hätten den Gestalter des neuen Liechtensteinischen Stiftungsrechts befragen können, der an der Universität Zürich lehrt, oder den Inhaber eines Lehrstuhls für Stiftungen an der Universität Vaduz. Sie kamen ebenso wenig zum Zuge wie die Vereinigung der Liechtensteinischen Gemeinnützigen Stiftungen VLGS. Ich werde in meinem Blog-Beitrag des Monats September versuchen, bei einem Blick über die Landesgrenzen den Stiftungsstandort Liechtenstein in adäquater Weise darzustellen.
Zum Ferienende dann doch noch ein Schweizer Stiftungsskandal? Oder ein Justizirrtum?
Ausgerechnet an Maria Himmelfahrt war es, dass zahlreiche Schweizer Medien über einen Urteilsspruch des Aargauer Obergerichts berichteten: Die Stiftung für Forschung in Spätantike und Mittelalter in Zurzach müsse infolge Verjährung die Dokumentationen zur archäologischen Ausgrabung in der St. Galler Stiftskirche vor über fünfzig Jahren nicht an den Kanton St. Gallen aushändigen. Stiftungspräsident Hans Rudolf Sennhauser hatte in den sechziger Jahren die Grabungen in diesem nachmaligen UNESCO Weltkulturerbe geleitet, deren wissenschaftliche Ausarbeitung und Publikation aber bis heute nicht geleistet. «Unfassbar!» – schreibt Lilian Raselli, Museumsleiterin von Augusta Raurica: «Ein Urteil mit nicht abzusehenden Folgen für die archäologische Forschung in der Schweiz!» – Unfassbar die Begründung des Aargauer Obergerichts: Es beurteilt eine Dokumentation nicht als zwingenden Bestandteil von Ausgrabungen (!).
Ex post stellt sich hier doch die Frage: Waren die Stiftungsratsmitglieder der Stiftung für Forschung in Spätantike und Mittelalter bei deren Gründung im September 2009 bloss Besitzer oder aber rechtmässige Eigentümer der in die Stiftung eingelegten Dokumentationen und archäologischen Fundstücke? Wir werden die letztinstanzliche Beantwortung dieser Frage nicht erfahren: Der Kanton St. Gallen als Kläger verzichtet auf einen Weiterzug des Falles ans Bundesgericht. Aber vielleicht reift ja nun die Erkenntnis, dass Stiftungsaufsichten künftig verstärkt die Eigentümerverhältnisse auch von nicht-pekuniären Einlagen in gemeinnützige steuerbefreite Stiftungen überprüfen sollte.