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Es kann, muss aber nicht eine Stiftung sein

In meinem letzten Blog-Eintrag sinnierte ich über Verlegenheiten – nämlich über potentielle Stifter in Verlegenheit oder über Stiftungen als Verlegenheitslösungen. Aber muss es denn gleich eine Stiftung sein, um Lösungen für gemeinnütziges Handeln zu schaffen?

Heute berichte ich über einen Fall, der vielleicht auch ein Modell sein kann. Es trägt den Namen «Datuma», und dessen Narrativ kennen Sie möglicherweise schon. Es geht hier um zwei Ärzte und um einen Architekten, nämlich um die Zürcher Brüder Daniel, Martin und Marcel Meili (Foto). Letzterer hat mir auf meine Fragen bereitwillig Auskunft gegeben.

Eine schöne Geschichte

Die Geschichte nahm ihren Anfang in den 1990er Jahren, als die Gebrüder Meili sich im Blick auf ihre Erbanwartschaft entschlossen, ihrem künftigen Erbe irgendwie «auszuweichen». Ihr Vater war während des 2. Weltkrieges Miterfinder des automatischen Brandmelders gewesen, hatte diesen später zur Marktreife gebracht und wurde wohlhabend. Auf dessen Erbe würden die drei Brüder – beruflich selber erfolgreich – dereinst nicht angewiesen sein, weshalb sie mit ihrem Vater, lange vor seinem Tod, über uneigennützige Verwendungen ihrer Vermögenswerte nachdachten. Der Keim zur späteren Datuma wurde 1993, also vor 25 Jahren, mit dem Kauf einer ehemaligen Elektromotorenfabrik in Zürich zwecks Umbau in ein Wohn- und Dienstleistungsgebäude gelegt. Mit der Umwandlung eines älteren Kinos zum bekannten Kulturkino RiffRaff im Kreis 5 vor 20 Jahren entstand die Idee zur Strukturierung und Formalisierung einer geplanten Tätigkeit im Schnittbereich von Fördern und Investieren. Längst haben wir uns an die – damals noch nicht geläufigen – Begriffe «Impact Investing», «Venture Philanthropy» und «Private Equity» gewöhnt, die derartiges Handeln umschreiben können.

Philanthropie und Unternehmertum, geht das?

Datuma sollte keine Förderstiftung werden. Meilis wollen ohne starre Strukturen, ohne beengende Reglementarien, ohne Aufsicht agieren. Ihr Modell ist unternehmerisch intendiert. Einen à-fond-perdu-Beitrag in eine hohle Hand zu geben, das ist nicht ihr Ding. Sie wollen Businessideen unterstützen, sie vergeben Kredite, sie verhandeln über Rückzahlungspläne, sie gehen Aktionärsbindungsverträge ein, wodurch sie in grösserem Umfang auch Beteiligungen vornehmen. Und sie bieten ihre Risikobereitschaft und einen langen Atem (und wollen sich dadurch bewusst von den Banken absetzen). Auf diese Weise profitieren konnte – unter anderen – Domo-Safety, ein Startup aus der EPFL, welches Sensorsysteme zur gesundheitlichen Überwachung im Wohnbereich alleinstehender Personen ermöglicht. Oder Power-Blox aus demselben Lausanner «Stall», die schwarmintelligente Batterien für Solarstrom zwecks Verwendung in entlegenen Gegenden, z.B. in Afrika, entwickeln. Marcel Meili konzediert, dass ihre Handlungsweise zwar auch als «philanthropisch» bezeichnet werden kann, im Sinne, dass sie in Projekte investieren würden, die das Zusammenleben von Menschen verbessern oder bereichern. Aber er schiebt sogleich nach, dass ihr Ansatz halt vor allem ein unternehmerischer sei. Das bedeutet dann, dass sie manchmal organisatorischen Einfluss nehmen auf die Projekte und Unternehmen ihrer Partner, dass sie Einsitz nehmen in Verwaltungsräte, dass sie ihr Knowhow weitergeben wollen.

Ein Label statt eine Stiftung

Da sich herumgesprochen hat, dass Datuma «seed money» bieten kann, treffen mittlerweile so viele Anfragen ein, dass vor drei Jahren eine gewisse Professionalisierung in den Strukturen veranlasst wurde. Nachdem das Label Datuma (in der Rechtsform nicht wie vermutet eine gemeinnützige AG, sondern eine Einfache Gesellschaft) längst der Pionierphase entwachsen war, wurde in Person von Nathalie Moral eine Geschäftsführerin im Mandat beigezogen. Frau Moral ist Expertin im Bereich Impact Investing und arbeitet seit 2012 über ihre Firma mavia in Zürich mit Familien und Privatpersonen zusammen. In einem Standortbestimmungsprozess beschlossen die drei Brüder eine Fokussierung auf die Themen Gesundheit, Energie und Kultur. Trotzdem gehen ihnen weiterführende Ideen nicht aus. Eine Art Roundtable möchten sie einrichten für einen kleinen Kreis von Gleichgesinnten, um beizutragen, dass «gelangweiltes Geld» vermehrt in zukunftsträchtige Projekte investiert wird und dass durch gemeinsames Wirken Synergien genutzt werden können.

Auch auf meine letzten Fragen erhalte ich eindeutige Antworten: Ja, sie hätten auch Lehrgeld zahlen müssen. Nein, sie würden auch heute nicht das Stiftungsmodell wählen. Klar, steuerlich gesehen wäre die Stiftungslösung simpler. Ihr Erfolgsgeheimnis sei das stete Einvernehmen zwischen den drei Brüdern. Und zum Schluss dringt wieder die Anerkennung für ihren Vater durch, der schon beim Zypressenstrasse-Projekt ermuntert hätte: «Wenn es dich nicht umbringt, dann mach es!»

Noch ein Jubiläum

Solche Risikobereitschaft erinnert mich stark an den Pioniergeist des Solothurners William A. de Vigier, der mit einer Erfindung für das Baugewerbe seit den 1930er Jahren in England ein Vermögen gemacht hatte. Mit diesem begründete de Vigier die nach ihm benannte gemeinnützige Stiftung, welche über die Vigier-Jungunternehmerpreise Schweizer Startups unterstützt. Die Einbettung dieser Fördertätigkeit in eine gemeinnützige Stiftung – ohne personelle Verflechtung mit der Stifterfamilie – stipuliert natürlich eine gewisse «Perpetuierung» dieses Preises. Dazu trägt übrigens auch die partielle Refinanzierung der W.A. de Vigier-Stiftung über Aktienbeteiligungen an erfolgreichen Preisträger-Startups bei. Am 30. Mai werden die Vigier-Unternehmerpreise in Solothurn bereits zum 30. Mal vergeben: zwar nicht «seit ewigs» aber ebenfalls mit bemerkenswert langem Atem.

Weblinks: www.datuma.chwww.domo-safety.comwww.power-blox.comwww.devigier.ch