«Auch im Zeitalter von Internet und Networking bleibt die Mittelbeschaffung für Kunst und Kultur ein mühsames Klinkenputzen.»
Interview mit Benno Schubiger
Das Kulturwesen in der Schweiz ist bunt und vielfältig und hat einen hohen Stellenwert. Das zeigt sich nicht zuletzt im komplexen System der Kulturförderung. Klar ist: Ohne Förderung wäre diese Vielfalt nicht möglich, ebenso wären Kunst und Kultur für die breite Bevölkerung gar nicht erschwinglich. Im Interview spricht Benno Schubiger, Experte für Kunst- und Kulturförderung, über die speziellen Herausforderungen im Schweizer Kunst & Kulturwesen.
Benno Schubiger, wie wichtig ist die Philanthropie für das künstlerische und kulturelle Schaffen in der Schweiz?
Förderung und finanzielle Unterstützung sind gerade in diesem Bereich enorm wichtig. «Kultur» würde zwar auch ohne Förderanreize entstehen – rein aus intrinsischer Motivation der Kulturschaffenden. Aber die Kulturleistungen wären weniger zahlreich, vielleicht auch von geringerer Qualität und Innovation. Und mit Sicherheit wäre Kulturproduktion ohne Fördermittel bloss für eine verschwindend kleine Gesellschaftsschicht zugänglich.
Welches sind die wichtigsten Akteure im Kulturwesen?
Zu den Akteuren gehören einerseits die Künstlerinnen und Künstler sowie Organisationen und Vereine in der enormen Spartenvielfalt des Kunstschaffens. Dazu zählen unter anderem Literatur inklusive Übersetzungen, Musik inklusive Komposition, Theater inklusive Regie, Tanz inklusive Choreografie, Film mit all seinen Beiträger-Disziplinen, Bildende Kunst mit ihren vielfältigen Techniken und Sparten, Museen und Sammlungswesen, Baukultur und Denkmalpflege, Gewährleistung architektonischer, technischer, organisatorischer Strukturen für das Betreiben von Kulturinstitutionen. Auf der Förderseite sind im Kulturwesen fünf grundlegende Kulturförderinstrumente zu nennen: Die öffentliche Hand, Beiträge von Stiftungen, Sponsoring durch Unternehmen, Mäzenatentum und Crowdfunding. Als Mittelding zwischen den beiden letztgenannten Förderformen könnten noch die privaten Kleinspender genannt werden. Ich denke dabei an die Mitglieder von Fördervereinen oder Freundeskreisen, die mit ihren Jahresbeiträgen und Spenden (aber auch als Kulturkonsumenten und Netzwerker) Kunstschaffende unterstützen. Vor allem in den «Performing arts» (Musikensembles, Tanzcompagnien, Theatergruppen) ist diese Art von Kulturförderung schon relativ verbreitet. Vermehrt gelingt es auch bildenden Künstlerinnen und Künstlern, sich ihre eigenen formalisierten Freundeskreise zwecks individueller Unterstützung – finanziell, kommunikativ – zu schaffen.
Wie gut funktioniert die Philanthropie in unserer Kunst- und Kulturszene?
Philanthropie existiert zwar in verschiedenen Formen – aber sie «funktioniert» keineswegs reibungslos. Denn das komplexe System der Kulturförderung und der heterogene Fördermarkt in der Schweiz machen es für Projektträger schwierig, ja fast unmöglich, bei der Mittelbeschaffung koordiniert und effizient vorzugehen. Auf der anderen Seite müssen sich Förderer mit zu vielen Gesuchen auseinandersetzen, die nicht mit ihren Richtlinien und Förderzielen übereinstimmen oder nicht die nötige Qualität haben. Das Resultat: Alljährlich werden von den diversen Förderstellen zehntausende von Unterstützungsgesuchen abgelehnt.
«Ohne Beiträge der Öffentlichen Hand, Stiftungsbeiträge, Sponsoring, Mäzenatentum und Crowdfunding wäre Kulturproduktion bloss für eine verschwindend kleine Gesellschaftsschicht zugänglich.»
Und wo liegen die grössten Herausforderungen in der Förderung von Kunst und Kultur?
Die grösste Herausforderung ist wie gesagt ein erfolgreiches Zusammenspiel der genannten fünf ganz unterschiedlich gearteten Formen im Fördersystem. Ein effizientes, koordiniertes Vorgehen ist für die Anspruchsgruppen, die auf Kulturförderung angewiesen sind, nur mit grossem Aufwand, mit Kreativität und mit viel Geduld zu erzielen. Netzwerke helfen; Frustrationstoleranz auch.
Was wird aktuell unternommen, um diese Herausforderungen anzugehen?
Auch im Zeitalter von Internet und Networking bleibt die Mittelbeschaffung für kulturelle Zwecke ein mühsames Klinkenputzen. Und leider gibt es meines Erachtens keine Anzeichen für eine wesentliche Verbesserung aus Sicht der Kulturschaffenden und Gesuchstellenden. Es gilt, die Websites der Förderstellen des Bundes inkl. Pro Helvetia, der Kantone und der Kommunen abzuklappern und die jeweiligen Fördermechanismen zu evaluieren. Für die Lotteriefonds gilt Ähnliches. Bei den Stiftungen ist die Situation angesichts ihrer schieren Masse und ihrer Heterogenität noch schwieriger. Ein zentrales, vollständiges und kostenfreies öffentliches Stiftungsverzeichnis existiert leider nicht. Als Lösung bleibt die entgeltliche Nutzung von privaten Online-Stiftungsverzeichnissen. Hier scheint nun Besserung in Sicht – so will ja stiftungschweiz.ch die Mittelbeschaffung auch für Kulturprojekte vereinfachen und ein effizientes, koordiniertes Vorgehen ermöglichen.
Wofür spenden Sie persönlich und was ist Ihre Motivation?
Ich denke, Spenden ist etwas sehr Individuelles und hängt eng mit persönlichen Interessen und mit dem eigenen Erfahrungshorizont zusammen. Als Mitglied von Vereinen, wie auch z.B. von Service-Clubs ist man quasi automatisch zum Spenden aufgefordert. Daneben spendet man auch aufgrund einer bestimmten Sensibilisierung für bestimmte Sozialthemen, wozu ich auch etwa Nachwuchssport zähle. Im Kulturbereich, der mir beruflich besonders nahe liegt, bevorzuge ich die Unterstützung von privaten Initiativen. Ehrenamtliche Tätigkeiten und Benevol-Mitarbeit in Gremien von NPO könnte man als «Zeitspenden» taxieren. Freilich habe ich die Erkenntnis gewonnen, dass ich dadurch eigentlich selbst bereichert werde und durch Erfahrungen und durch Kontakte meistens selber sehr profitiere.